Diese Woche war es wieder so weit: Zum vierten Mal fand die Konferenz Lean Software and Systems statt - das Event für Lean und Kanban überhaupt! Und weil das Ganze dies Mal in Boston stattfand, lautete das inoffizielle Motto: The Boston Lean Party ;-)
Sonntag stand ganz im Zeichen des Kennenlernens und des Erfahrungsaustausches: Zum Einen fand das Lean Camp statt - ein ganztägiger OpenSpace, der von Jim Benson organisiert wurde. Gleichzeitig traf sich die "Global Limited WIP Society" - was nichts anderes bedeutet als ein internationaler Erfahrungsaustausch von allen, die eine lokale Limited WIP Society organisieren oder dies vorhaben. Das Ganze fand im Format Lean Coffee statt. Der Austausch war für mich sehr wertvoll, und ich werde einige Anregungen für die Hamburger Society mitnehmen. Ein großes Thema war übrigens "keeping Kanban weird". Dabei spielen Schafe eine wichtige Rolle - alles Weitere wird sich mit der Zeit ergeben.
Und es gab eine Torte, um den 100. Geburtstag von Taiichi Ohno angemessen zu feiern:-)
David Anderson hat noch die Anekdote erzählt, dass der Name Limited WIP Society von den Gründern eigentlich als zu albern empfunden wurde und es letztlich nur deshalb geschafft hat, weil James Sutton in einer E-Mail geschrieben hat: "That name sounds very Monty Python".
Bei dem Treffen ist übrigens dieses Poster entstanden, auf dem zu sehen ist, wie viele Societys es inzwischen weltweit gibt.
Montag ging es dann mit den Talks los - drei Tage lang fiel die Entscheidung schwer, was man sich ansehen sollte. Kein Wunder, wenn man die Namen der Vortragenden im Programm liest: David Anderson, Karl Scotland, Jeff Patton, David Joyce, Jim Benson, Steven Spear (MIT), Yochai Benkler (Harvard School of Law), Mary Poppendieck, Michael Kennedy - um nur einige zu nennen.
Mein persönliches Highlight war (wieder einmal) der Vortrag von Don Reinertsen. Jedes Mal, wenn man denkt, man hätte jetzt einigermaßen verstanden, worauf es ankommt, gibt es einen neuen Vortrag von Don, und er erklärt einem, warum wir wieder umdenken müssen.
Dies Mal ging es um die Frage nach Zentralisierung und Dezentralisierung. Für mich die Quintessenz: Hohe Ungewissheit bedeutet nicht automatisch, dass wir Selbstorganisation benötigen. Und auch wenn wir es mit Komplexen Problemen zu tun haben, bedeutet das nicht, dass wir gar nicht planen sollten. Schließlich ist es keine Entweder-oder-Frage, ob wir Entscheidungen dezentralisieren, sondern in vielen Fällen ist eine Mischung sinnvoll. Illustriert wurde dies an zwei Beispielen: Den US Marines und professionellen Feuerwehrleuten. Beide Gruppen arbeiten in Kontexten mit extrem hohen Risiken und sehr hoher Ungewissheit. Und beide haben erstaunlich ähnliche Konzept entwickelt, um hiermit umzugehen. Sobald der Vortrag auf Video verfügbar ist, werde ich ihn mir auf jeden Fall noch mal ansehen!
Zusammen mit Markus Andrezak durfte ich auch einen Vortrag halten. Wir haben in Form eines kleinen Theaterstücks erzählt, welche Implikationen der Projekt-Begriff hat, warum es problematisch ist, in Projekten zu denken, wenn man eigentlich ein Produkt entwickelt und wie Kanban hilfreich sein kann, vom Projekt zum Produkt zu kommen.
Wer mehr über die verschiedenen Sessions erfahren möchte, sollte sich diese Blog Posts ansehen von Alexei Zheglov, Liz Keogh, Yuval Yeret, Mike Burrows
Wie nicht anders zu erwarten, gab es jede Menge spannende Gespräche - ob morgens beim gemeinsamen Frühstück, während der Pausen oder abends bei den Social Events. Allein deswegen hätte sich die Konferenz schon gelohnt:-)
Wie jedes Jahr wurde auch dies Mal der Brickell Key Award des Lean SSC auf der Konferenz verliehen - für "outstanding achievement, leadership and contribution to our community". Das Ganze fand in einem ziemlich feierlichen Rahmen eines Banketts statt. Mir war es schon etwas unangenehm, während der Konferenz riesige Poster mit meinem Bild an den Wänden zu sehen - denn ich war einer der sechs Kandidaten. Völlig überraschend wurde mir dann tatsächlich der Award verliehen - zusammen mit Jim Benson. (Dass ich wirklich völlig überrascht war, wird jeder bezeugen können, der sich im Saal befand, denn ich hatte natürlich keine Rede vorbereitet und konnte nur einige wirre Sätze stammeln...)
Was gibt es sonst noch zu sagen?
- James Sutton, Präsident des Lean SSC, hat verkündet, dass sich die Organisation umbenennt in Lean Systems Society und sich neu ausrichtet: Vorbild ist die United Kingdom‘s Royal Society. Die Pressemitteilung mit samt dem Mission Statement findet sich hier
- Eine Vorab-Version des neuen Buchs von David Anderson war auf der Konferenz erhältlich.
- Viele der Vorträge sind in schriftlicher Form als Proceedings veröffentlicht - diese können kostenlos als PDF heruntergeladen werden.
- Ich habe noch nie eine so gut organisierte Konferenz erlebt! Das Essen war auch ausgezeichnet, und ein so zuverlässiges und schnelles W-LAN auf einer Konferenz ist mir auch noch nie untergekommen:-)
- Boston ist viel kleiner als ich dachte. Und man kann vom Flughafen ins Hotel mit dem Wasser-Taxi fahren!
- Wer auch immer den Spruch "there ain’t no such thing as a free lunch" erfunden hat, lag falsch. Beim Sightseeing auf den MIT-Campus haben wir nämlich tatsächlich ein kostenloses Mittagessen bekommen.
- Markus hat beinahe Don Reinertsen geohrfeigt (ich habe ein Beweisfoto!), aber das ist eine andere Geschichte...
Hier noch ein Bild von der "deutschsprachigen Delegation". Vielen Dank für die tolle Woche an Markus, Florian und Klaus!