Mike Burrows, einer der weltweit führenden Kanban-Experten, hat vor einer Woche einen tollen Blog Post zu den Werten hinter Kanban geschrieben (hier findet man den Original-Post, und hier ein Follow-Up von Mike). Der Post macht sehr schön deutlich, dass Kanban viel mehr ist, als nur bunte Zettel auf einem Whiteboard hin- und her zu schieben! Der Post hat ein großes Echo in der Kanban-Community hervorgerufen (unter anderem hat David Anderson gesagt, er wünschte, er hätte diesen Post selbst geschrieben:-)
Weil ich glaube, dieser Post könnte ein wichtiger Schritt in der Weiterentwicklung von Kanban sein, halte ich es für wichtig, dass er auch auf Deutsch verfügbar ist. Deshalb habe ich Mike gefragt, ob ich ihn übersetzen darf, und er hat eingewilligt. Hier kommt also die Übersetzung:
Die meisten Kanban-Einführungen beginnen mit dem Kanban-Board (ein Tool) und
gehen dann über zur Beschreibung der Kernpraktiken. Wenn man Glück hat, erfährt
man dann auch noch ein bisschen über die Grundprinzipien.
An dieser Stelle möchte ich einen anderen Ansatz vorstellen. Dieser Ansatz
legt gleich viel Gewicht auf die Kanban-Prinzipien, die meiner Meinung nach an
erster Stelle kommen sollten (nicht umsonst heißen sie
Grund-Prinzipien (foundational practices)) und die Kernpraktiken. Sowohl
den Prinzipien als auch den Praktiken liegen Werte zugrunde. Wenn wir diese
Werte identifizieren, behandeln wir automatisch alle Hauptelemente der
Kanban-Methode. Vielleicht eignet sich dieses Vorgehen ja auch als Framework,
um Kanban zu schulen?
Auf jeden Fall ist das Ergebnis holistisch (die Werte lassen sich auf ganz
unterschiedlichen Ebenen anwenden), es entspricht dem grundlegenden Zweck von
Kanban (Veränderung von Organisationen), und es hilft, mit den drei falschen
Vorstellungen aufzuräumen, dass Kanban
i. eine Methode für
Softwareentwicklung sei;
ii. keine Werte mitbringe,
die Organisationen und Change-Agents vor Herausforderungen stellen;
iii. nur etwas für
Tool-fixierte Zahlenfreaks sei, die in Kontroll-versessenen Organisationen
arbeiten (diesen Punkt übertreibe ich nur ein wenig).
Darüber hinaus möchte ich zeigen, dass eine
Wert-basierte Beschreibung von Kanban auch aus anderen, konstruktiveren
Gründen nützlich ist.
Mein Ausgangspunkt
Aus den Grund-Prinzipien von Kanban in ihrer gängigen Reihenfolge leite ich
vier Werte ab:
Verstehen,
Einverständnis, Respekt, Leadership. Der erste Wert erfordert eine
Erklärung, aber die anderen drei lassen sich direkt aus den Prinzipien
ableiten, so wie sie üblicherweise formuliert werden.
Die Werte, die hinter den sechs Kernpraktiken stehen, sind hingegen etwas
schwieriger. Nicht, weil sie nicht da wären, sondern weil es hier keine
unmittebare 1:1-Beziehung gibt. Ich habe weitere vier Werte aus den Praktiken
abgeleitet:
Transparenz, Balance, Flow,
Zusammenarbeit. Ich finde es allerdings sinnvoll, hier von der
offensichtlichen Reihenfolge abzuweichen und außerdem einen weiteren Wert
hinzuzufügen, so dass wir bei insgesamt neun Werten landen.
Wir werden uns diese Werte gleich einen nach dem anderen ansehen und dabei
auf weitere mögliche Kandidaten stoßen. Ich werde durch Fett-Druck alles
hervorheben, was für mich nach einem Wert aussieht (in erster Linie abtrakte
Substantive). Mit einer Ausnahe (
Fokus
auf den Kunden), auf die ich bereits angespielt habe, sind sie jedoch nicht
so wichtig, weniger grundsätzlich und weniger im Kern von Kanban als die
dargestellten Grund-Werte.
Die neun Grund-Werte
von Kanban
1. Verstehen
Verstehen ist ein
Kanban-Wert, der nicht ganz offensichtlich ist. Für mich steckt dieser Wert im
ersten Grund-Prinzip: „Beginne dort, wo du dich aktuell befindest“.
Verstehen bezieht sich auf die Sache, die wir gerade verändern – egal ob es
sich um ein wichtiges Detail des Prozesses handelt, um die Art, wie unser
Prozess unter Stress-Bedingungen funktioniert oder so etwas abstraktes wie der
generelle Ansatz, nach dem Veränderung in unserer Organisation vorgenommen
wird.
Insist on understanding because a
healthy process that can’t defend itself is a sign that you’ve forgotten what
you believe.
Zitat aus:
The
Process Myth, Rands in Repose
In unseren Kanban-Schulungen unterrichten wir einen Systems-Thinking-Ansatz,
bei dem Verstehen sehr hohe Priorität genießt. Verstehen spielt also schon ganz
am Anfang, bei den Kanban-Grundlagen, eine wichtige Rolle – von der ersten
Übung an. Woher kommen unsere Aufgaben? Wodurch sind verschiedenen Arten von
Aufgaben charakterisiert? Welche Ansätze, um Veränderungen herbeizuführen,
haben eine große Wahrscheinlichkeit, erfolgreich zu sein oder zu scheitern –
generell und in unserer eigenen Organisation? Woran könnte das liegen?
Wenn es kein Verstehen gibt, dann haben wir es per Definition mit
Cargo-Kult-Implementierungen [http://de.wikipedia.org/wiki/Cargo-Kult] zu tun.
Selbst wenn es aus dem besten Absichten geschieht: Wahrscheinlich wird es kein
Verstehen geben, wenn Veränderungen top-down durchgeführt werden, wenn sie
nicht ausreichend motiviert werden (zum Beispiel, indem immer wieder auf Best
Practices [http://en.wikipedia.org/wiki/Best_practice#Critique] verwiesen wird)
oder wenn Veränderungen ohne weitere Reflexion auf unterschiedliche Bereiche
der Organisation angewendet werden. Es kann uns daher nicht wirklich
überraschen, dass Veränderungsprojekte häufig zu Enttäuschungen führen. Zum
Leidwesen von fauilen oder unfähigen Managern erfordert
Verstehen (ebenso wie die verwandten Werte
Lernen und
Alignment)
einige Anstrengung.
2. Einverständnis
Einverständnis findet
sich direkt im zweiten Grundprinzip: „
Einige
dich mit Anderen darauf, inkrementelle, evolutionäre Veränderungen
durchzuführen“. Ich würde hier gern einmal die Perspektive umdrehen: Können
wir wirklich davon ausgehen, dass Veränderungen ohne Einverständnis
funktionieren kann? Könnte es sein, dass ein Mangel an Einverständnis unserem
Erfolg im Wege steht? Oder vielleicht gibt es zwar Einverständnis, aber dieses
ist nicht tief greifend genug – wir sind uns darüber einig, dass ein bestimmtes
Problem vorliegt, aber wir sind uns uneinig, was die Ursachen sind und welche
Auswirkungen es gibt (hier landen wir direkt bei
Verstehen).
Dieses Prinzip könnte einen weiteren Wert beinhalten:
Inkrementalismus. Ich sehe dies jedoch nicht als einen Kern-Wert
an. Denn wir treten ja für inkrementelle, evolutionäre Veränderung ein, weil
sich dadurch die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöht – und nicht weil die
Alternativen des
Radikalismus bzw.
Konservativismus grundsätzlich
schlechter wären. Wir könnten natürlich auch
Pragmatismus als weiteren Wert einbringen, aber dieser wäre schwer
greifbar.
3. Respekt
„
Respekt für die Menschen“ bildet eine der Säulen von Lean. Auf Veränderungen bezogen findet sich dieser Respekt
im dritten Kanban-Prinzip wieder: „
Respektiere
zu Beginn die bestehenden Rollen, Verantwortlichkeiten und Berufsbezeichnungen.“
Genau so wie im übrigen Leben, ist
Respekt
auch dann eine gute Idee, wenn es um Veränderungen geht. Erhöhen wir unsere
Erfolgschancen, wenn wir andeuten, dass Menschen schlechte Arbeit leisten oder
dass ihre Rollen nutzlos sind? Wahrscheinlich nicht! Ist es nützlich, Anderen
schlechte Absichten zu unterstellen? Vermutlich auch nicht.!Aber bedeutet Respekt,
dass wir immer nett sein müssen? Auch das nicht!
Respekt für Menschen zu zeigen,
bedeutet nicht, dass wir jeden mögen müssen, mit allen Meinungen übereinstimmen
müssen oder jedem halbgaren Argument zustimmen.
Stephen
Parry
Wenn wir Respekt in dieser Weise verstehen, dann gehört auf jeden Fall auch
Mut dazu. Und dies führt uns direkt zu
unserem nächsten Wert.
4. Leadership
Leadership taucht in
so gut wie jeder Erfolgsgeschichte auf, wurde aber erst 2012 als weiteres Kanban-Prinzip
mit aufgenommen: „
Sorge dafür, dass
Leadership auf allen Ebenen der Organisation stattfindet – von einzelnen
Mitarbeitern bis zum oberen Management.“
Über Leadership wurde bereits viel geschrieben, und ich möchte an dieser
Stelle nur einige kurze Beobachtungen hinzufügen:
i. Vielleicht wünschen wir
uns manchmal einen Autokraten á la Steve Jobs (oder Steve Ballmer) – aber mit
Leadership „
auf allen Ebenen“ ist
etwas anderes gemeint.
ii. Leadership ist zu
begrüßen, aber das bedeutet nicht, dass Management automatisch schlecht wäre
(wir erinnern uns an
Respekt?)
iii. Weiterhin schließt
weder Leadership noch Management
Selbstorganisation
aus – in dem Sinne, dass Einzelpersonen, Teams und Systeme sich
weiterentwickeln dürfen, ohne dass ihnen dafür zentral eine Richtung vorgegeben
wird. Ganz im Gegenteil: Gute Leadership und gutes Management sorgen für die
Bedingungen, unter denen Selbstorganisation gedeihen kann.
iv. Gute Leadership bedeutet
immer auch
Herausforderung (wir
haben darüber schon kurz gesprochen). Wer Veränderungen vorantreibt, muss
darauf gefasst sein, andere herauszufordern und selbst herausgefordert zu
werden.
5. Flow
Wir wenden uns jetzt den Praktiken zu und beginnen mit Nummer drei: „
Den Flow managen“. Der Management-Anteil dieser Praktik meint die taktische Organisation sowie
Entscheidungen, die darauf abzielen, Aufgaben so gut wie möglich zu bearbeiten
(
Effektivität). Dies hat auf einem
gewissen Abstraktionsniveau universelle Gültigkeit – allerdings mit sehr
unterschiedlichem Erfolg.
Flow fügt dem noch etwas hinzu,
das weit weniger offensichtlich ist:
Gleichmäßigkeit
und
Vorhersagbarkeit. Sich
systematisch um alles zu kümmern, was den Flow behindert, stellt ein mächtiges
Werkzeug für Verbesserungen dar – so wie es in Lean angelegt ist.
Darüber hinaus schätzen wir Flow auch im Sinne von Csikszentmihalyi, also dieser positive
Zustand, in dem wir komplett in unsere Aufgabe versinken. Dieses Art von Flow
ist schwer zu erreichen, wenn wir ständig abgelenkt und unterbrochen werden und
wenn häufig wechselnde Prioritäten unsere Arbeitsumgebung dominieren.
6. Fokus auf den Kunden
Wir sind noch nicht ganz fertig mit „
den
Flow managen“! Eine ausführlichere Version dieser Praktik könnte lauten:
Sorge dafür, dass es einen gleichmäßigen
Flow gibt, in dem früh und regelmäßig Wert für den Kunden ausgeliefert wird.
Wert ist hier
in dem Sinne von Zweck (also
das Verstehen des „Warum“ des Kunden) gemeint, aber sehr wohl auch monetär
(wobei wir Nützlichkeit nicht
mit Kosten verwechseln sollten). Wenn wir uns wirklich darauf konzentrieren,
Dinge für den Kunden fertig zu stellen (Completion), so
geht dies sowohl über die reine Erledigung von Aufgaben als auch über die
Produkt-zentrierte Sichtweise (potenziell
auslieferbares Produktinkrement) hinaus. Meiner Erfahrung nach ist dieses
Konzept überraschend herausfordern und hat oft dramatische Auswirkungen.
Wenn wir nur Aufgaben erledigen, von denen der Kunde nicht profitiert, so
haben wir nichts weiter produziert als Kosten (sunk cost). Wir werden auf diesen Punkt später noch einmal
zurückkehren und über den Aspekt „regelmäßig“
sprechen, wenn wir den Wert Balance behandeln.
7. Transparenz
Transparenz untermauert
drei Kanban-Praktiken: Die erste “
Visualisierung [der Arbeit]”, die vierte “
Regeln explizit machen” und die fünfte “
Feedback-Schleifen einrichten”.
In Kanban wird Transparenz auf unterschiedlichen Ebenen hergestellt:
i. Die Arbeit wird sichtbar
gemacht
ii. Der Workflow wird
sichtbar gemacht: Welche Stationen durchlaufen Aufgaben? In welchen
Prozessschritten befinden sich unsere Aufgaben gerade?
iii. Die Einflussgrößen,
Regeln und Grenzen, die unsere Entscheidungen beeinflussen und letztlich auch
die Leistung unseres Systems bestimmen, werden sichbar gemacht.
iv. Die Auswirkungen von i.
– iii. werden durch Kunden-zentrierte Metriken sichtbar gemacht.
Die ersten beiden Arten der Transparenz ergeben sich automatisch aus
kanban-Systemen (mit kleinem k), nach denen die Kanban-Methode ja benannt ist.
Die ersten drei Punkte zusammen erzeugen wichtige
Hebel – Stellen in unserem System, an denen bedeutende
Veränderungen zu relativ geringen Kosten vorgenommen werden können. Die vierte
Praktik (Feedback-Schleifen) stellt sicher, dass unsere Veränderungen in die gewünschte
Richtung gehen.
Kanban stellt deshalb einen Weg dar, um Systeme entstehen zu lassen, die
ständig lernen und sich anpassen – eine Strategie für Organisationen, bessere
Fitness in einem von Konkurrenz
geprägten Ökosystem zu erlangen.
8. Balance
Die zweite Praktik lautet: „
Den
Work-in-Progress (WIP) limitieren“. WIP-Limitierung eines Prozesses bietet
verschiedene Vorteile:
- Wie durch Little’s Law dargestellt wird,
verkürzen sich Durchlaufzeiten (und damit auch Feedback-Zyklen) tendenziell.
Der Kunde wird früher zufrieden gestellt, und wir können schneller lernen.
- Neue Arbeit wird nur dann begonnen, wenn es auch
freie Kapazitäten dafür gibt. Dadurch entsteht Flow aus der Perspektive der Aufgaben. Und es entsteht Balance zwischen Bedarf und Versorgung
aus Sicht der Teams und Einzelpersonen (Respekt).
- Wenn wir uns ein bisschen näher damit
beschäftigen, dann wird klar, dass es auch zur Balance zwischen verschiedenen operativen Aufgaben sowie zwischen
operativen Aufgaben und Verbesserungen kommt.
Der letzte Punkt legt ein weiteres Prinzip nahe: „
Heiße Vielfalt willkommen“. Systeme, die
gut mt Vielfat umgehen können, lassen sich als
robust (resilient) beschreiben. Dies ist gut für die Kunden ebenso
wie für die Angestellten und Organisationen – auch hier finden wir wieder
Balance.
Und das ist ein wirkliches Killer-Feature von Kanban: Die
Entwicklung von robusten Systemen, die für eine Bandbreite unterschiedlicher
Aufgaben Vorhersagen bezüglich der Leistung erlauben (wobei die Zeiten von
Stunden oder Tagen bis zu Monaten oder noch längeren Zeiträumen reichen
können).
Für weitere Informationen zum Thema Balance empfehle ich den
Vortrag von David Anderson
When is Kanban not appropriate [
video,
slides] Sowie
meinen eigenen Vortrag
Kanban the hard way [
video,
slides], in dem ich
auch auf die Themen Vielfalt und Robustheit eingehe.
9. Zusammenarbeit
Zusammenarbeit findet
sich in der sechsten (und letzten) Kernpraktik: “Sich
gemeinsam verbessern und durch Experimente weiterentwickeln
[indem man Modelle [und wissenschaftliche Methoden]
verwendet]”.
Aufbauend auf den Werten
Verständnis,
Respekt und
Fokus auf den Kunden formuliert
Zusammenarbeit die Erwartung, dass wir über die Grenzen unseres
eigenen Teams hinausgehen, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die dem
Flow im Wege stehen.
Wenn wir nun auch noch die zwei Teile dieser Praktik betrachten, die in
Klammern stehen, so finden wir darin die Aufforderung, systematisch daran zu
arbeiten, unser
Verstehen zu
verbessern, indem wir Beobachtungen anstellen und Modelle, Experimente sowie
Messungen verwenden (
Empirie).
Der Zusatz „Modelle verwenden“ hat außerdem noch eine weitere Bedeutung –
nämlich dass wir die Werte
Neugier
und sogar
Großzügigkeit ernst nehmen
sollten. Kanban ermutigt alle Anwender ausdrücklich, sich außerhalb der
eigentlichen Methode umzusehen, welches Wissen dort noch zu finden ist. Kanban
erkennt an, dass viele seiner Wurzeln in anderen Bereichen liegen: Lean,
Engpasstheorie, Agilität, Grundlagen der Warteschlangentheorie und der Komplexitätstheorie,
Einflüsse aus Lean Startup und der Familientheraphie. Viele Kanban-Anwender
verwenden die Modelle, die sie persönlich bevorzugen – ich zum Beispiel beziehe
mich viel auf die Modelle A3, GROW und Influencer.
Warum nur neun?
Ich fand es schade, dass der Lean-Wert
Fokus
auf den Kunden sich nicht ohne weiteres aus den Standard-Formulierungen der
Kanban-Prinzipien und –Praktiken ableiten ließ. Man könnte also sagen, dass ich
an dieser Stelle geschummelt habe! Ich bin aber nach wie vor der Meinung, dass
dieser Wert seinen Platz völlig zu Recht in Kanban findet.
Bei den anderen Werten, die ich herausgearbeitet habe, sieht es nicht ganz
so klar aus:
- Lernen
und Alignment sind stark mit Verstehen verbunden. Mir ist bewusst,
dass es gute Argumente für jeden dieser drei Werte gibt. Ich habe mich für
denjenigen entschieden, der meiner Meinung nach am besten die Wurzeln
widerspiegelt, die Kanban im Systems Thinking hat. Derjenige meiner Artikel,
der am häufigsten referenziert wird (http://positiveincline.com/index.php/2010/06/learning-together-kanban-and-the-twelve-principles-of-agile-software/),
legt einen Schwerpunkt auf Lernen. Es
war also eine harte Entscheidung, mich hier gegen Lernen zu entscheiden.
- Herausforderung (ebenso Vision) und Mut
überschneiden sich klar mit Leadership,
aber ich betrachte sie nicht als fundamental. Vergleiche hierzu meinen Post Dole out
the 3C’s.
- Selbstorganisation steht ziemlich weit oben, wenn es
um Werte bezüglich der Gestaltung von Organisationen geht, aber Respekt scheint mir für Change Agents
eine ebenso gute Anleitung zu bieten. Wenn alles Andere gleich bleibt, würde
man durch Respekt immer eine Lösung vorziehen, die Selbstorganisation
zulässt oder aktiv aufbaut.
- Robustheit spielt eine große Rolle in meinem
eigenen Denken, aber hiermit wird eher ein Resultat als ein Ansatz beschrieben.
Dasselbe gilt für Gleichmäßigkeit und Vorhersagbarkeit.
Die Werte im Einsatz
Sehen wir uns unsere neun Werte noch einmal an:
Verstehen, Einverständnis, Respekt,
Leadership, Flow, Fokus auf den Kunden,
Transparenz, Balance, Zusammenarbeit
Ich muss zugeben, dass dies eine recht lange Liste ist – länger als die drei
oder vier Werte, von denen ich lange Zeit bei verschiedenen Gelegenheiten
gesprochen habe. Auf der anderen Seite sind es auch nicht so viele, dass man
nicht mehr vernünftig darüber reden könnte. Sie lassen sich auch noch gut
merken, so dass man auch leicht auf sie verweisen kann.
Ergeben einige dieser Werte mehr Sinn für Sie als andere? Was folgt daraus?
Ich überlege, hierüber auf einem Leadership Retreat mit anderen Praktikern zu
diskutieren – die unterschiedlichen Meinungen könnten extrem erhellend sein!
Gibt es Werte aus dieser Reihe, die in Ihrer Umgebung fehlen? Was folgt
daraus? Können Sie daraus folgern, dass etwas geändert werden sollte?
Wenn ich beispielsweise zurückblicke, dann kann ich mich an viele
Situationen erinnern, in denen es nicht genug
Einverständnis gab. Dadurch wurden Veränderungen entweder langsam,
oder es ergaben sich Veränderungen, die sehr schnell wieder zurückgedreht
wurden. Und wenn ich mir Erfahrungsberichte von Anderen ansehe, dann bekomme
ich den Eindruck, dass nicht nur ich diese Erfahrung gemacht habe.
Reflexion
Ich habe Werte explizit gemacht – dies ist angewandte
Transparenz. Hierdurch wird
Herausforderung
geschaffen (in erster Linie, weil ich den
Fokus
auf den Kunden noch deutlicher im den Kern von Kanban sehen möchte).
Außerdem habe ich durch diese Transparenz mein
Verstehen von mindestens einer Quelle von Unzufriedenheit besser
verstanden. Im Sinn von „Eat your own dogfood“ funktioniert das System! Das
gefällt mir!
Ob Sie und die Kanban-Community dieselben Werte wählen würden, ist eine
interessante Frage, die ich gern diskutieren würde. Wie könnte man sonst noch
vorgehen? Ich würde wirklich gern alternative Ansätze sehen. Ist es vielleicht
nützich, die Werte, die ich ausgewählt habe, anders zu strukturieren oder
anzuordnen? Oder sind Werte so zerbrechlich, dass man am Besten gar nicht über
sie spricht?
Aufbauend auf einem Gedanken, der auf meinen Post
How Deep is Your Kanban? vor einigen Monaten zurückgeht, stellt sich mir die Frage: Könnten
Werte eine bessere Basis darstellen, um ein Assessment-Tool der zweiten
Generation für Kanban zu etablieren? Im Moment fokussiert das Assessment-Tool
auf die Praktiken. Wird dadurch vielleicht der wahre Zweck von Kanban
verschleiert? Ich glaube, das ist gut möglich.
Ob die Werte einen guten Weg darstellen, um Kanban zu erklären und
einzuführen, lässt sich nur herausfinden, indem man es ausprobiert. Das werde
ich tun.